Der Weg zum Auslandspraktikum
"Viele Auszubildende wissen gar nicht, dass es die Möglichkeit gibt, einen Teil der Ausbildung im Ausland zu verbringen. Umso dankbarer bin ich, dass mich das Ludwig-Erhard-Berufskolleg, meine Chefin und zum anderen die IHK auf dieses Angebot aufmerksam gemacht haben. Bereits im letzten Jahr begann ich damit, mich auf das Praktikum vorzubereiten. Dabei hat es mir die Corona-Situation nicht leicht gemacht, ein Land zu finden, wo ich ohne Probleme einreisen kann. Die Länderwahl fiel schließlich auf die von vielen unterschätzte Republik Lettland.
Wenn man als Azubi die Wahl hat, ein Praktikum in fast ganz Europa absolvieren zu können, würden viele wohl eher nördliche oder süd-westliche Länder für ihren Auslandsaufenthalt wählen. Ich bin froh, ein baltisches Land ausgewählt zu haben. Gerade Riga ist den deutschen Städten in Sachen Digitalisierung einen großen Schritt voraus und entwickelt sich wirtschaftlich stetig weiter. Ende Juni ging es dann mit der Unterstützung der IHK los. Um einen geeigneten Praktikumsbetrieb in Lettland ausfindig zu machen, stand ich im direkten Austausch mit der Deutsch-Baltischen Handelskammer, welche meine Bewerbung an passende Unternehmen versendete. Rückmeldung erhielt ich von einer Firma namens tet, bei der ich in der Marketingabteilung arbeiten durfte. Tet ist ein Telekommunikationsdienstleister und Internetanbieter für ganz Lettland.
Vier Wochen leben und arbeiten in Riga
Gemeinsam mit Lara Peveling, meiner Mitschülerin vom Ludwig-Erhard-Berufskolleg war ich in einem neu errichteten Studentenwohnheim untergebracht. Etwas abgelegen von der Innenstadt, sind wir jeden Morgen ca. 15 Minuten mit der Straßenbahn in die Innenstadt zu unseren Betrieben gefahren. In dem Büro, in dem ich gearbeitet habe, herrscht eine offene Bürokultur, sodass ich mich jeden Tag an einen anderen Platz setzten konnte und die perfekte Möglichkeit hatte, neue Kollegen und Mitarbeiter kennenzulernen. Meine Aufgaben lagen vor allem im Bereich Social Media Konzeption, da sich das Unternehmen in diesem Bereich neu aufstellt und die Betreuung von extern nach intern verlagern möchte. Besonders in Erinnerung sind mir die drei Vorstellungsgespräche für den neuen Social Media Manager geblieben, bei denen ich zwar aufgrund der lettischen Sprache nichts verstanden habe, ich aber anhand der Körpersprache viel über die Bewerber erfahren konnte.
Ich entwickelte ein umfangreiches Social Media Konzept für das Unternehmen, in dem ich zum Beispiel die Zielgruppen analysiert und neu definiert habe, einen Redaktionsplan mit Inhalten, Themen und Timings erstellt und neue Trends recherchiert habe. Es war eine gewisse Herausforderung, dieses Konzept auf Englisch zu erstellen und im Anschluss vor einigen Kollegen zu präsentieren. Es ist ein sehr großer Unterschied, eine Präsentation in englischer Sprache vor der Klasse in der Berufsschule vorzustellen, oder vor erfahrenem Fachpersonal in einem fremden Land. Einmal in der Woche nahm ich an einem Brainstorming-Meeting der Vertriebs- und Marketingleiter teil, in dem Ideen für neue Gewinnspiele, Mitarbeiter-Aktionen und laufende Projekte besprochen wurden.
Mich hat überrascht, wie ähnlich die Abläufe und Themen bei dem lettischen Unternehmen "tet" und meinem Ausbildungsbetrieb "Team Meuter" sind. Prinzipiell ist die Arbeitskultur mit der in Deutschland vergleichbar. Ein kleiner Unterschied besteht bei dem Stand der Digitalisierung: In Lettland arbeiten sehr viele aus dem Homeoffice oder hängen an ihren Urlaub eine Woche dran und arbeiten von überall auf der Welt. Online-Meetings fanden schon vor Corona im großen Ausmaß statt und die technische Ausstattung der Mitarbeiter lässt keine Wünsche offen. Fakt am Rande: Ich hatte zu jeder Zeit an jedem Ort ein super Mobilfunknetz.
Nach Feierabend sind wir dann oft zum Supermarkt und anschließend zurück ins Wohnheim gegangen. Wir haben schnell andere Azubis kennengelernt, die ebenfalls ein Praktikum in Riga machten und in dem Wohnheim untergebracht waren. Beim gemeinsamen Abendessen haben wir uns über unsere Betriebe, Aufgaben und Erlebnisse ausgetauscht. Am Abend sind wir ab und zu zum Hafen gegangen, haben EM-Spiele in der Altstadt geschaut oder sind Bowlen gegangen. Die Wochenenden haben wir dafür genutzt, das Land näher kennenzulernen und sind zu verschiedenen Stränden nach Jūrmala oder Saulkrasti gefahren. Mit einem gemieteten Auto sind wir zum Gauja Nationalpark gefahren, sind wandern gegangen und haben einen Bungeesprung aus einer Gondel über dem Fluss Gauja gemacht. Dank des tollen Wetters hatten wir die Möglichkeit viel zu erleben und zu entdecken.
Meine persönlichen Erkenntnisse
Wie jedes schöne Erlebnis, war auch mein Auslandsaufenthalt in Riga viel zu schnell vorbei. Dennoch habe ich einen sehr guten Einblick in den Arbeitsalltag und in das Leben in Lettland erhalten. Ich finde die Letten sind ein sehr nettes und gelassenes Volk. Bei der Arbeit herrschte eine offene und harmonische Atmosphäre und ich habe mich sehr wohl gefühlt. Es gab sogar einige Kollegen, die deutsch sprechen konnten, da sie in Deutschland gelebt oder studiert haben – in der Stadt gibt es erstaunlich viele Menschen, mit denen ich in Kontakt war, die aus Deutschland kommen oder die deutsche Sprache beherrschen. Englisch war dennoch die Sprache, in der ich tagtäglich im Unternehmen, in Bus und Bahn oder in Restaurants kommuniziert habe.
Ich war erstaunt, wie schnell man in die passende englischen Formulierungen findet, wenn man einfach mal drauf los redet. Was ich besonders bemerkenswert finde: Ich war in Lettland nicht einfach „nur ein Tourist“, sondern habe dort (zwar nur für eine kurze Zeit) gelebt. Nach zwei Wochen kannte ich bereits einen Großteil der Stadt, konnte Fragen nach dem Weg von Touristen beantworten und kannte viele Fahrzeiten der Bahnen auswendig.
Ich habe viel dazu gelernt, sowohl in beruflicher Hinsicht als auch für mich persönlich. Es war spannend zu sehen, wie andere Unternehmen arbeiten und wie die Letten ihren Tag gestalten. Alles in allem bin ich sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben und kann nur jedem Azubi oder Studenten empfehlen, das auszuprobieren. Traut euch, eure Chefs anzusprechen und sie für das Thema Auslandspraktikum zu begeistern. Letztlich profitieren Azubis und Unternehmen von dem Austausch."